H.O.N.I.C. in der Albertina

16 Menschen gehen gemeinsam ins Museum. Sehen Bilder, sprechen darüber, sind eine Gruppe.

Der Plan war, Sonntag, eine halbe Stunde vor Öffnung, bei der Albertina zu sein, um die Massen zu vermeiden und genug Zeit zu haben, die großartigen Bilder in Ruhe und Beschaulichkeit zu genießen. Es war ein guter Plan. Doch die Ausstellung war besser. Die größten grafischen Hits des Jahrtausendgenies und akribischten Aufzeichners von, naja, allem, Albrecht Dürer. Gehypteste Ausstellung der bestens vermarkteten Werke des über jeder Kritik stehenden Künstlers des Nordens, des Deutschesten Künstlers aller Zeiten im größten Museum der Grafik der Welt.

Es konnte einem fast schwindlig werden, so nahe am Gipfel der Superlativen. Und Mitten drin in den halbdunklen Räumen schuldlos drängend vor den unschuldigen Meisterwerken, nach  mehrmals recyclierter Atemluft schnappend, die, angereichert mit den Ausdünstungen menschlicher Anspannung und ästhetischer Bemühung, die Exponate wie durch einen Schleier mystifizierte, ja, da konnte einem auch fast schwindlig werden. Und trotz dem Gedränge und der schlechten Luft, trotz der dunkelbunt ausgemalten Räume, trotz der Unmöglichkeit als Gruppe genug Platz zu finden, vor einem der Meisterwerke Gedanken, Eindrücke und Begeisterung auszutauschen, trotz all dem – die unwiderstehliche Perfektion, aufrichtige Klarheit und unnachahmliche handwerkliche Vollkommenheit von Dürers Arbeiten hat uns alle erfreut, beeindruckt und verzaubert.

Beeindruckend und erfreulich war auch die Entscheidung der Kuratoren im Untergeschoss dem 100. Geburtstag von Maria Lassnig mit einer grandiosen Werkschau ihres langen Künstlerinnen-Lebens zu gedenken. Große Bilder voller Leben, Leidenschaft und Leiden. Voller Kraft und Entschlossenheit. Viele laut, manche aggressiv, die Besitznahme des eigenen Körpers und die Autonomie der Emotion. Oberflächlich betrachtet das genaue Gegenteil der Grafiken Dürers konnte in der direkten Gegenüberstellung eine Gemeinsamkeit der Aufrichtigkeit, eine Verwandtschaft der Eigenständigkeit und eine Ernsthaftigkeit dem eigenen Talent gegenüber gespürt werden.

Und dann gingen wir ins Kaffeehaus gegenüber und haben uns doch noch gut über das Gesehene unterhalten. Und manche haben begonnen die Bilder zu erahnen, die sie in den nächsten Wochen malen werden. Inspiriert oder bestärkt auf ihrem Weg.

Ich mag gemeinsame Ausstellungsbesuche. Es war doch ein guter Plan.

2019-11-07T22:22:02+00:00